Das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld stellt sich gegen Diskriminierung

WOLFEN/MZ. Nun ist es da. Das Schild mit der Aufschrift "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage". Die Mädchen und Jungen des Bildungszentrums Wolfen-Bitterfeld haben in der zweijährigen Vorbereitungszeit bewiesen, dass sie diesen Titel für ihre Schule zu Recht bekommen. Als Sachsen-Anhalts Ministerin für Justiz und Gleichstellung Angela Kolb (SPD) dieses Schild im Saal 063 des Wolfener Kulturhauses überreichte, war die erste Anspannung gewichen.

Die beiden Paten, die mit ihrer Unterstützung zur Verleihung des Titels beigetragen haben, wollen in Zukunft ein guter Partner der Schule sein, sagte Michael Polk, Geschäftsführer des PD Chemieparks. "Wir sind für Unternehmen aus der ganzen Welt die Vermittlungs- und Ansprechpartner", meinte Polk. Da könne man sich Ressentiments gegenüber Menschen mit anderen Weltanschauungen oder Religionen nicht leisten. "Wir arbeiten in einem Team, in dem jeder Gleichberechtigt ist."
 
Für Robin Hackemesser, den Sänger der Rockband "Black Tooth Scares" aus Bitterfeld-Wolfen stellt sich das Problem ähnlich dar. In der Musik gebe es keine weltanschaulichen oder religiösen Differenzen. "Wir gehen mit offenen Augen und Ohren durch die Welt und sind für alle Menschen Ansprechpartner", sagt der Musiker.
 
Für die Justizministerin ist es besonders wichtig, dass sich jeder in der Schule wohlfühle. "Wir werden als Landesregierung auch immer unterstützend zur Seite stehen", machte sie den jungen Leute Mut zu neuen Projekten. Eines davon stellten Paul und Eric vor. "Sehen beim Gehen" heißt es und beschäftigt sich unter anderem mit Rutsch- Sturz- und Stolpergefahren in Betrieben.
 
Der andere, nicht minder wichtige, Teil der Feierstunde war die Freisprechung der Auszubildenden, die ihre Lehre schon früher als geplant beenden konnten. Immerhin würden 29 junge Leute mit diesem Tag in das Berufsleben entlassen und das mit sehr guten bis guten Noten, freute sich der Geschäftsführer des Bildungszentrums Olaf Richardt. Für ihn sei das ein Zeichen für den hohen Ausbildungsstand an der Einrichtung und für den Willen der Jugend, ihr Leben selbst gestalten zu wollen. Dabei warb er gleichzeitig für eine weitere Arbeit an der Wolfener Einrichtung. "Wer Ausbilder oder Lehrmeister werden möchte, ist bei uns immer gern gesehen", sagte Richardt. Wer mit solch guten Noten die Ausbildung frühzeitig beeden konnte, um den sei ihm auch in der Zukunft nicht Bange. "Die Firmen rundherum suchen händeringend qualifizierte Mitarbeiter."

 
Im Bildungszentrum Bitterfeld-Wolfen lernen die Pharmakanten im Labor
 
Greppin/MZ. Hendrik Schmidt ist Umschüler. Der 45-Jährige arbeitete vorher in seinem Beruf als Zimmerer, konnte diese Tätigkeit aber nicht mehr ausführen. Nun steht er mit den Auszubildenden der Bayer Werke und des Serumwerkes Bernburg im Lehrlabor des Bildungszentrums Bitterfeld-Wolfen und bereitet sich auf die Zwischenprüfung vor.
 
"Ich habe mich in der Schule schon für die Chemie interessiert", sagt der Mann aus Dessau. Und er hoffe, dass er nach seiner zweieinhalbjährigen Ausbildung auch einen neuen Job bekommen werde. Gleiche Hoffnungen haben auch die Mädchen und Jungen, die mit Bayer oder dem Serumwerk einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben und die praktischen Tätigkeiten im Lehrlabor ausführen. "Wenn der Abschluss gut ist, steht einer Übernahme nichts im Wege", erklärt Roswitha Kössler, die leitende Ausbilderin im Fach Chemie. Sie kennt die Situation in den Betrieben, wo händeringend qualifizierter Nachwuchs gesucht wird. "Wir wollen hier die Grundlagen schaffen, damit sich die jungen Leute später im Beruf gut eingliedern können", sagt die Ausbilderin. Für die gute Qualität der Ausbildungseinrichtung spricht auch der Fakt, dass ab September dieses Jahres auch Pharmakanten aus Thüringen mit ausgebildet werden, berichtet Olaf Richardt, der Geschäftsführer der Bildungseinrichtung. Darauf sei man besonders stolz. Man habe für die Azubis auch die Möglichkeit geschaffen, die Lehrzeit von dreieinhalb Jahren um ein Jahr zu verkürzen. Natürlich nur bei sehr guten Leistungen, fügt die Ausbilderin an. Da habe sie aber keine Bedenken, meint Roswitha Kössler, denn die jungen Leute würden mit sehr viel Freude und Elan an die Arbeit gehen.
 

Urkunde "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage"
 
Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld erhält Anerkennung als "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage"
 
Am 28. Juni 2012, 13.30 Uhr, ist es mal wieder soweit: Einige unserer Auszubildenden werden auf Grund ihrer ausgezeichneten Leistungen die Ausbildung vorzeitig beenden. Es hat am Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld Tradition, jene Auszubildende während einer kleinen Feierstunde, bei der auch Vertreter der Ausbildungsbetriebe sowie nahe Angehörige zugegen sind, zu würdigen.
 
Stellt die Freisprechung an sich schon einen Meilenstein im Ausbildungsjahr dar, so ist der 28. Juni 2012 für die Auszubildenden, die Ausbilder, den Vorstand und die Geschäftsführung des Bildungszentrums Wolfen-Bitterfeld von ganz besonderer Relevanz. In Anwesenheit von Prof. Dr. Angela Kolb, Ministerin für Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt, wird dem Bildungszentrum die Anerkennung als „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ zuteil.
Darum haben die Auszubildenden und Beschäftigten des Bildungszentrums ein Jahr lang gerungen. Die dabei erzielten Ergebnisse werden ebenso im Fokus der Veranstaltung stehen wie die Paten des Projektes. Dr. Michael Polk, Geschäftsführer der P-D ChemiePark Bitterfeld Wolfen GmbH sowie die Band „Black Tooth Scares“.
 
Die Veranstaltung findet im Städtischen Kulturhaus Bitterfeld-Wolfen, Saal 063, OT Wolfen, Puschkinplatz, 06766 Bitterfeld-Wolfen, statt.

 
In den letzten Tagen stellten sich am Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld 80 Auszubildende ihrer Abschlussprüfung. Für 79 von ihnen endete damit erfolgreich eine dreieinhalbjährige Ausbildung in insgesamt 10 Berufen (Chemikant, Chemielaborant, Physiklaborant, Mechatroniker, Elektroniker für Automatisierungstechnik, Elektroniker für Betriebstechnik, Industriemechaniker, Verpackungsmittelmechaniker, Anlagenmechaniker, Konstruktionsmechaniker). Ein Auszubildender wird in einem halben Jahr erneut zur Prüfung antreten.
 
Bei der Freisprechung am 22. Februar hatte ganz besonders einer gut lachen. Der Chemikant Jens Maceczek hatte seine Fertigungsprüfung mit der Note „sehr gut“ bestanden. Doch auch die anderen freuten sich über die bestandene Prüfung. 64 Jungfacharbeiter wurden für ihre guten Leistungen bereits mit einem Arbeitsvertrag belohnt. So komplettieren viele der frischgebackenen Facharbeiter fortan die Teams ihrer Ausbildungsbetriebe. Andere fanden in Fremdfirmen eine Anstellung.
Dabei bleibt nicht jeder in der Region. „Gute Facharbeiter sind bundesweit gesucht. Und so bin ich mir sicher, dass auch diejenigen, die noch keinen Arbeitsvertrag in den Händen halten, alsbald einen passenden Job finden werden“, machte Olaf Richardt, Geschäftsführer des Bildungszentrums, den noch Unversorgten Mut. Das Dankeschön der jungen Facharbeiter an ihre Ausbilder fiel mit Blumen, Umarmungen und freundlichen Worten sehr herzlich aus.

 
Die Freisprechung der Azubis erfolgte in feierlichem Rahmen. (FOTO: ANDRé KEHRER)WOLFEN/MZ. Steffi Mainka hat nicht nur ihren Traumberuf gelernt, sie hat auch den Arbeitsplatz dazu. Heute ist ihr erster Arbeitstag. Der Ionenaustauscherbetrieb IAB im Bayer-Industriepark ist ihr nicht fremd. "Während der Ausbildung war ich dort, ich kenne auch die Leute schon. Und: Ich freue mich drauf", sagt die junge Frau, die am Mittwoch ihr Azubi-Abschlusszeugnis erhalten hat.
 
Steffi Mainka ist einer von insgesamt 80 Lehrlingen von 32 Unternehmen, die am Mittwoch die Ausbildung im Bildungszentrum (BZ) Wolfen-Bitterfeld abgeschlossen haben. "Fast alle haben einen Job, den sie sofort antreten können", sagt BZ-Geschäftsführer Olaf Richardt. Die Vermittlungsrate derjenigen, die hier ausgelernt haben, ist hoch, sie liegt bei über 80 Prozent. "Gute junge Leute werden von den Unternehmen gesucht", sagt er. Beispielsweise von Bayer. 27 Bayer-Azubis haben gerade ihren Abschluss in der Tasche. "Die Besten übernehmen wir selbst oder vermitteln sie in Unternehmen unseres Industrieparks", erklärt Ausbildungsleiterin Regine Hölzel. Seit 1993 arbeitet das Unternehmen mit dem BZ zusammen. "Wäre die Ausbildung nicht so gut, würden wir unsere Lehrlinge anderswo hinschicken", sagt sie. Die Bayer Bitterfeld GmbH ist auch eines von 56 Mitgliedern des Vereins Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld. Auch die 14 Azubis des Impfstoffwerks Dessau-Tornau haben ihren Job in ihrem Unternehmen sicher. Sarah Wille zum Beispiel wird ab Donnerstag das Team im Labor, in dem die Impfstoffe auf Gehalt und Identität bestimmt werden, verstärken. "Bio und Chemie haben mich schon in der Schule interessiert", sagt die Chemielaborantin. "In dem Bereich wollte ich arbeiten."
 
Mit ihrem Berufswunsch liegt die junge Frau im Trend, wie BZ-Chef Richardt bestätigt. Chemielaborant, Chemikant und Elektroniker für Automatisierungstechnik sind die Berufe, die am meisten gewählt werden. Und die offenbar auch hinreichend in der Region gebraucht werden. Nicht nur hier: Jan Timmermann, Betriebsleiter der Adsor-Tech GmbH Premnitz, gratuliert seinen beiden Azubis. Auch auf sie wartet schon ein fester Arbeitsplatz in dem Unternehmen, das Adsorbtionsstoffe wie Aktivkohle herstellt. "Seit 2004 lassen wir hier in Bitterfeld-Wolfen ausbilden.
 
Die Vorzüge der Ausbildungsgemeinschaft liegen auf der Hand. Wir selbst haben nicht die Möglichkeiten, die hier geboten werden", so Timmermann. Diese Vorzüge haben inzwischen sehr viele Betriebe erkannt. Derzeit stehen 30 Berufe zur Auswahl, wobei die Ausbildung im Bereich Chemie / Pharma den Schwerpunkt ausmacht und zugleich das Alleinstellungsmerkmal des Bildungszentrums Wolfen-Bitterfeld in der weiteren Region ist.
 

 
BILDUNGSZENTRUM: Alle Umschüler des letzten Lehrganges haben Job gefunden
 
Wolfen/MZ - Für Matthias Borck ist die Welt jetzt rund. "Ich bin beruflich angekommen", sagt der 29-Jährige. Das war eine ganze zeit nicht so, denn der junge Mann hatte bis vor kurzem noch studiert. Irgendwann habe er jedoch gemerkt, dass das, was er da studiert, eigentlich nicht das Richtige für ihn ist, sagt er. "Da war ich über 25 und hatte noch ein paar Semester vor mir. Irgendwann willst du ja auch Geld verdienen", so Borck.
 
So hat er sich kurzerhand entschlossen, einen Beruf zu erlernen. Doch welche Firma nimmt schon einen über 25-Jährigen und finanziert dessen Ausbildung? "Ich bin dann über die Arbeitsagentur gegangen, habe den Bildungsgutschein genutzt für die Umschulung. Und der Zufall wollte es, dass ich mit dem Bildungszentrum Bekanntschaft machte", berichtet er. Im Bildungszentrum (BZ) Wolfen-Bitterfeld hat er eine Ausbildung zum Chemikanten absolviert. Heute bildet Matthias Borck selbst junge Facharbeiter in der Lehrwerkstatt aus.
 

"Ich bin beruflich angekommen."
Matthias Borck, Ausbilder


"Diese Stelle zu bekommen - was Besseres konnte mit nicht passieren." Und, sagt der Zwei-Meter-Mann, das Lernen ist für ihn noch nicht zu Ende. Im März kommt die Ausbilder-Eignungsprüfung und dann irgendwann die Meisterschule, hat er sich vorgenommen.
 
Matthias Borck ist einer von insgesamt acht Umschülern, die im vergangenen Jahr im BZ ihre Ausbildung mit Erfolg abgeschlossen haben. Nicht nur das: Sie alle haben sofort einen Arbeitsplatz gefunden. "Und zwar in Unternehmen im ChemiePark", sagt Renate Schiffel, stellvertretende Leiterin des BZ. "Das macht uns schon stolz, weil es auch zeigt, dass unsere Ausbildung gut ist. Und dass wir unserem Ziel, vor allem für die Firmen des ChemieParks ein guter Partner sein zu wollen, gerecht werden." Die Spezialisierung auf die Chemie sieht das Team des Bildungszentrums als ein Alleinstellungsmerkmal im Reigen der professionellen Aus- und Weiterbilder der weiteren Region.
 
"Die Leute waren alle zwischen 20 und 37 Jahren, sie hatten alle ihre Chance und die haben sie genutzt - in der Chemie lohnt sich eine Umschulung", sagt Roswitha Kössler, eine erfahrene Ausbilderin, die in diesem Fall für die Chemikanten-Umschüler zuständig gewesen ist. "Für die Zukunft sind Arbeitskräfte in der Chemie nötig." War es vor wenigen Jahren noch mühsam, Absolventen unterzubringen, wendet sich jetzt das Blatt.
 
Unternehmen sind auf der Suche nach guten Fachkräften, manche haben gar schon Sorgen, passende Mitarbeiter zu finden. Dem will das Bildungszentrum etwas entgegensetzen, wie Renate Schiffel sagt. "Wir versuchen, stets eine breite Palette von Fachbereichen und Berufen anzubieten - so zum Beispiel ist im vergangenen Jahr neu aufgenommen worden die Ausbildung zum Pharmakanten." Jetzt lässt sich die Bildungseinrichtung die Umschulung zum Pharmakanten zertifizieren.
 
BZ-Azubis und - Umschülern werden auch Praktika in den heimischen Firmen vermittelt. Matthias Borck zum Beispiel war bei Miltitz Aromatics. Dort hat es mir ganz Klasse gefallen. "Das Klima war gut und die Arbeit hat Spaß gemacht", sagt er. "Nur leider haben sie niemanden gesucht zum Einstellen."
 
Silvio Karl hingegen ist in seinem Praktikumsbegtrieb, der Synthon Chemicals in Wolfen, Hersteller von Spezialchemikalien, eingestellt worden. Der einstige Kraftfahrer, der ein knappes Jahr arbeitslos war, ist auf gleichem Weg wie Borck zu seinem neuen Job gekommen. "Das Arbeitsamt hat mir unter anderem die Umschulung zum Chemikanten angeboten", sagt der Dessauer, "und weil ich dachte, hier in der Region ist mehr Chemie, da hast du bessere Chancen, habe ich zugegriffen. Und es hat geklappt." 26 Monate hat er im Bildungszentrum noch mal die Schulbank gedrückt, hat zwei Praktika bei Synthon, die er sich selbst gesucht hat, absolviert, arbeitet heute im Technikum und ist zufrieden.
 
Renate Schiffel und das BZ-Team sind es auch. Ihr Konzept ist aufgegangen: Nach dem Motto "Viele Wege führen nach Rom" bieten sich heute viele Möglichkeiten, einen neuen Job zu finden, an: Ob das der Weg über den Bildungsgutschein von der Arbeitsagentur, den Berufsförderungsdienst der Bundeswehr für Bundeswehrabsolventen oder der über das Programm "Weiterbildung geringqualifizierter und -beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen"WeGebAu" ist - letztlich waren alle erfolgreich. Das Bildungszentrum bildet in fast 30 Berufen aus, derzeit lernen hier 360 Azubis.
 

 
Jeweils rund ein Viertel der Weiterbildungsanbieter will innerhalb der nächsten fünf Jahre Angebote zur Qualifizierung für altersgerechtes Arbeiten im Betrieb, zum Transfer des Erfahrungswissens ausscheidender Mitarbeiter/-innen oder zur erfolgreichen Bewältigung des demografischen Wandels in Betrieben einführen. Die Branche sieht in derartigen, bislang noch kaum verbreiteten demografie-orientierten Angeboten für Betriebe eine Chance für die Zukunft. Dies zeigt der wbmonitor 2011 mit dem Schwerpunktthema "Weiterbildungsanbieter im demografischen Wandel" des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung - Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen (DIE).
 
"Die Bedeutung der Weiterbildung für die Bewältigung des demografischen Wandels wird steigen", so BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser. "Besorgnis erregend ist aber, dass sich die Teilnahme an Weiterbildungen in Regionen mit abnehmender Bevölkerung rückläufig entwickelt. Dadurch drohen sich die regionalen Strukturunterschiede noch zu verstärken. Aus Sicht des BIBB ist hier ein koordiniertes Gegensteuern vom Bund und den regionalen Akteuren erforderlich."
 
1.700 Weiterbildungsanbieter beteiligten sich an der Umfrage des wbmonitor 2011. Im Zentrum stand die Frage, ob sich die Teilnahme "demografierelevanter" Personengruppen in den vergangenen fünf Jahren bereits verändert hat. Gemeint sind vor allem die Altersgruppen 50+ und Jüngere bis 34 Jahre. Aber auch als "Arbeitsmarkt-" bzw. "Qualifikationsreserven" bezeichnete Gruppen (Migrantinnen und Migranten, Frauen, geringqualifizierte Beschäftigte und Arbeitslose) rücken zunehmend in das Interesse von Politik und Wirtschaft, da zur Deckung des Fachkräftebedarfs weniger Jüngere zur Verfügung stehen als in der Vergangenheit. Diese Personengruppen sollen durch Weiterbildung mobilisiert und fit für den Arbeitsmarkt gemacht oder für höherwertige Tätigkeiten qualifiziert werden.
 
Maßnahmen für Betriebe, die der Qualifizierung Älterer für altersgerechtes Arbeiten, der Gestaltung des demografischen Wandels im Betrieb und dem Transfer von Erfahrungswissen Älterer dienen, sind, so die Ergebnisse des wbmonitor, bislang eher selten. Sie stellen allerdings aus Sicht der Weiterbildungsanbieter den größten Wachstumsmarkt dar.
 
Die Weiterbildungsbeteiligung der verschiedenen Personengruppen hat sich je nach regionalem demografischen Verlauf unterschiedlich entwickelt. Im gesamten Bundesgebiet verzeichnen die Anbieter nur bei geringqualifizierten Arbeitslosen und Älteren (50+) einen deutlichen Anstieg - bei letzteren ist sogar eine Trendwende in der Weiterbildungsbeteiligung zu konstatieren.
 
In den Wachstumsregionen verzeichnen die Anbieter deutliche Zuwächse an Teilnehmenden bei fast allen Personengruppen. Demgegenüber entwickelt sich in den Regionen mit Bevölkerungsrückgang die Weiterbildungsbeteiligung insgesamt nachteilig. Die Zuwächse fallen bei den meisten Zielgruppen deutlich geringer aus oder die Beteiligung stagniert, die Teilnahme beschäftigter Akademiker/-innen nimmt sogar ab.
 
Insofern ist, so die Autoren der Studie, in den Regionen mit sinkender Bevölkerungszahl keine ausreichende Entwicklung erkennbar, mit Weiterbildung den Rückgang des Potenzials an Erwerbspersonen auszugleichen und so die Fachkräfteversorgung zu sichern. Setzt sich diese Entwicklung fort, besteht die Gefahr, dass in diesen Gebieten - insbesondere in Ostdeutschland - trotz fortbestehender Arbeitslosigkeit ein Fachkräftemangel entsteht. Darüber hinaus werden strukturschwächere Regionen in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung weiter zurückfallen, wohingegen die Wachstumsregionen mit Weiterbildung ihre Standortvorteile ausbauen werden. Die Rückgänge in der Weiterbildungsförderung arbeitsloser Fachkräfte und Akademiker/-innen durch die Arbeitsagenturen, die die Anbieter in Regionen mit Bevölkerungsrückgang besonders treffen, können diese regionalen Ungleichheiten noch verstärken. "Die Weiterbildungsförderung sollte regionale Unterschiede stärker berücksichtigen und als wichtiger Baustein der regionalen Strukturentwicklung betrachtet werden", so BIBB-Präsident Esser.
 
Die Finanzierungsaspekte wirken sich auch auf den ebenfalls im Rahmen des wbmonitor alljährlich ermittelten Klimawert aus, der die wirtschaftliche Stimmung in der Weiterbildungsbranche misst. Er ist 2011 im Vergleich zu 2010 insgesamt positiv und stabil geblieben, wobei betrieblich finanzierte Anbieter von einer glänzenden Geschäftsentwicklung berichten, während der Klimawert der Arbeitsagenturfinanzierten Anbieter erstmals so stark sinkt, dass er negativ ausfällt. Auch für die Zukunft wird eine Fortsetzung dieser Negativentwicklung befürchtet.
 
Weitere Informationen unter www.bibb.de/wbmonitor sowie zu den regionalisierten Daten auch im Beitrag "Berufsbildung in Zahlen" der BIBB-Fachzeitschrift "Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis" (BWP), Ausgabe 1/2012, unter www.bwp-zeitschrift.de
 
Zur diesjährigen wbmonitor-Umfrage veröffentlicht das DIE ebenfalls eine Pressemitteilung mit Schwerpunkt Klimawert. Informationen unter www.die-bonn.de