Tschechische Jugendliche absolvieren Teil ihrer Ausbildung im Berufsbildungszentrum

Jugendliche aus dem tschechischen Ort Usti nad Labem informieren sich derzeit im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld über die hiesige Ausbildung zum Chemikanten. (MZ-Foto: André Kehrer)Wolfen/MZ. Azubis aus dem tschechischen Usti nad Labem informieren sich derzeit über die Ausbildung deutscher Lehrlinge im Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld. Auch sie sind auf dem Wege wie die hiesigen Jugendlichen, Chemikanten zu werden. Im Spätsommer war eine kleine Delegation deutscher Azubis der Bildungseinrichtung in Usti - aus gleichem Anlass.Diese gegenseitigen Arbeits-Besuche - die Jugendlichen lernen nicht nur das jeweilige Industrie-Areal und die spezielle Berufsausbildung kennen, sie experimentieren auch im Labor und stellen letztlich ein Produkt her - sind Teil eines speziellen, vom Land Sachsen-Anhalt und der EU geförderten Projektes: "Eleisa - Europäisches Lernen in Sachsen-Anhalt". Mit diesem Modellprojekt, das ab 2005 drei Jahre läuft, fördert das Qualifizierungsförderwerk Chemie neue Wege zur Internationalisierung der Berufsausbildung. Eingebunden sind Unternehmen, Bildungseinrichtungen sowie Sozialpartner. Im konkreten Fall sind es das Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld sowie die Bayer Bitterfeld GmbH.Erfahrungen wurden hier bereits im vergangenen Jahr gesammelt, als Jugendliche aus Polen hier waren. "Das gehört zu ihrem Ausbildungsprogramm - ein Lernbaustein ist die Förderung internationaler Kompetenzen", erklärt Renate Schiffel, stellvertretende Leiterin des Bildungszentrums. "Das soll den Jugendlichen helfen, später flexibler sein zu können. Das ist quasi ein Beitrag zum Thema ,Offenes Europa'." Letztlich, meint sie, lernen sich die Jugendlichen über die Arbeit besser kennen. "Chemie ist Chemie - das ist überall gleich."Genutzt hat das Bildungszentrum dazu seine über viele Jahre gehaltenen Kontakte. Vor allem zum Chemie-Standort Usti nad Labem waren sie traditionell sehr eng.
 


Berufsorientierung hautnah in der Praxis
 
Ob ein Beruf in der Chemie wohl das Richtige ist? Im Lehrlabor konnten es die Schülerinnen selbst probieren. Foto: NeumannWolfen (hn). Die Schülerinnen und Schüler aus Raguhn und Muldenstein sind um die vierzehn Jahre alt und wollen im Lehrlabor des Bildungszentrums Wolfen/Bitterfeld Berufsluft schnuppern. Auf die Frage, wer einmal in einen Beruf in der Chemieindustrie arbeiten möchte, meldet sich nur ein Mädchen. Der Praxistag habe sie in ihrem Berufswunsch Chemikant bestärkt, sagt sie. Die anderen sieben aus der Gruppe wissen indes nun ganz genau, dass ein Labor kein Arbeitsplatz für sie ist. Auch dies ist eine Erkenntnis. „Brafo - Berufswahl richtig angehen frühzeitig orientieren“, heißt das Modell-Projekt, das durch die Bundesagentur für Arbeit und das Land Sachsen-Anhalt aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds gefördert wird. Bildungszentrum und Euro-Schulen arbeiten dabei als Träger Hand in Hand. Jede der beiden Bildungseinrichtungen hat eine Mitarbeiterin für die Projektdauer bis Februar 2009 abgestellt. Karola Aschenbach ist Maßnahmekoordinatorin im Bildungszentrum, die ESO-Mitarbeiterin Susanne Ropport betreut das Projekt als Sozialpädagogin. Seit Juli sind die beiden Frauen mit „Brafo“ befasst. Zunächst galt es, die acht Sekundarschulen im Altkreis Bitterfeld vom Projekt zu überzeugen. In enger Zusammenarbeit mit der Schulleitung, unter Einbeziehung der Klassenlehrer und der Eltern wurde mit jedem einzelnen Schüler ein so genannter Eignungsscheck erarbeitet. So manche Wunschvorstellung musste bereits der Erkenntnis weichen, nicht die entsprechenden Voraussetzungen zu erfüllen. Letztlich konnten sich die Schüler aus acht Berufsfeldern vier auswählen, in die sie tiefer hineinschnuppern wollten. Den Auftakt bildeten die Schüler der Sekundarschulen Muldenstein und Raguhn. Bei der Anmeldung zeigten die 73 Mädchen und Jungen am meisten Interesse an dem Berufsfeld Lager/Handel/ Verkauf. An zweiter Stelle lagen /Garten-Landschaftsbau/Landwirtschaft. Platz drei auf der Beliebtheitsskala belegte Gesundheit/Soziales/Kosmetik/Körperpflege. Am wenigsten interessierte Chemie/Industrieproduktion. Sie tauschten nun zum ersten Mal die Schulbank gegen einen Praxisplatz. Schon nach wenigen Stunden relativierten sich Vorstellungen vom jeweiligen Beruf. Dass Friseure gute Kenntnisse in Chemie benötigen, wussten die Jugendlichen bereits. Wie anstrengend es aber ist, einen Fön richtig zu halten, erschreckte schon. Eine sozialpädagogische Auswertung erfolgt mit den Schülern und ihren Lehrern in den folgenden Wochen. Seit Montag haben die Schüler der Sekundarschulen Comenius und Helene Lange den Lernort gewechselt und erproben sich ihrerseits in acht Berufsfeldern.

 
Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld eröffnet Lehrjahr - Ausbildung in 16 Berufen

129 Jugendliche, die im Bildungszentrum (BZ) Wolfen-Bitterfeld und einem der über 40 Mitglieds- sowie 20 Verbundunternehmen des BZ lernen werden, hat am Mitwoch das neue Ausbildungsjahr begonnen. (MZ-Foto: Thomas Ruttke)Bitterfeld-Wolfen/MZ. Für 129 Jugendliche, die im Bildungs-zentrum (BZ) Wolfen-Bitterfeld und einem der über 40 Mitglieds- sowie 20 Verbundunternehmen des BZ lernen werden, hat am Mittwoch das neue Ausbildungsjahr begonnen. Zur Auswahl standen in diesem Jahr insgesamt 16 verschiedene Berufe.
 
Von 131 gebotenen Ausbil-dungsplätzen sind bis heute 124 besetzt. Unbesetzte Lehrstellen haben für Jürgen Heil, Vorsitzender des Vereins Berufs-vorbereitungszentrum Wolfen, heute vor allem damit zu tun, dass einige Jugendliche nicht den Anforderungen der Unternehmen genügen: "Rechenschwäche, schlechte naturwissenschaftliche Leistungen, ungenügende soziale Kompetenz und wenig Bereitschaft, sich zu engagieren - solche Schulabgänger will kein Unternehmen. Notlösungen kommen für die innovativen Firmen einfach nicht in Frage." Gebraucht von der Industrie würden zuverlässige, hoch qualifizierte und kreative Facharbeiter, so Heil. "Ein Arbeitsplatz heute entspricht einer Investition von mehr als einer Million Euro."
 
Dennoch: Jeder vierte Ausbildungsplatz in Deutschland wird vorzeitig verlassen. Im Bildungszentrum liegt die so genannte Abbrecherquote unter zehn Prozent. 96 Prozent aller Lehrlinge schließen mit einer erfolgreichen Prüfung ab. "Das", so Olaf Richard, Geschäftsführer des Bildungszentrums, "liegt weit über dem Bundesdurchschnitt." Zurück führt er das neben begeisterungsfähigen jungen Leuten vor allem auf engagierte und kreative Ausbilder. Von den rund 1 500 Azubis, die hier seit 1994 ihre Ausbildung nach der regulären Lehrzeit abschlossen, haben immerhin 95 Prozent danach einen Arbeitsvertrag bekommen.
 
Und die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt heute sind aufgrund der demographischen Entwicklung besser denn je, erklärte Landrat Uwe Schulze, der das Ausbildungsjahr 2007 / 08 im Kulturhaus Wolfen am Mittwoch offiziell eröffnete. 2020, so eine Prognose, wird über ein Drittel der Erwerbstätigen in Deutschland 50 Jahre und älter sein. 16 Millionen Menschen arbeiten dann weniger als jetzt. Schon jetzt, so eine Vertreterin von Akzo Nobel Base Chemicals, mache sich ein Defizit an qualifiziertem Facharbeiternachwuchs bemerkbar.